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3. Mai ist der „Tag der Abhängigkeit von Kohle, Öl und Erdgas“
Österreich wird zu 34 % aus erneuerbaren und zu 66 % aus fossilen Energiequellen versorgt. Der 3. Mai ist der Tag, bis zu dem wir uns heuer rein rechnerisch mit Energie aus erneuerbaren Ressourcen versorgen können. Für das restliche Jahr ist Österreich auf fossile Energieträger wie Kohle, Öl und Erdgas angewiesen. Ein weiterer starker Ausbau der erneuerbaren Energien würde sowohl die Wettbewerbsfähigkeit als auch die Sicherheit der Energieversorgung stärken.
Wien, 29. April 2024 – „Wir befinden uns mitten in der Energiewende und die Dynamik ist in vielen Bereichen spürbar: Die CO2-Emissionen sinken, der Photovoltaikausbau liegt weit über den Erwartungen, und wir können bei erneuerbarem Strom erstmals seit langem einen Exportüberschuss verzeichnen“, bilanziert Franz Angerer, Geschäftsführer der Österreichischen Energieagentur (AEA). Doch die Erzeugung aus erneuerbaren Energieträgern muss weiter stark ausgebaut werden, denn immerhin reicht die Energie aus erneuerbaren Quellen erst für 123 Tage des Jahres. Danach ist Österreich auf fossile Energieträger wie Öl, Kohle und Erdgas angewiesen. Berechnet wird der „Tag der Abhängigkeit von Kohle, Öl und Erdgas“ mit dem Anteil erneuerbarer Energie am Bruttoendenergieverbrauch – 2022 lag der Anteil bei 34 %. Sieht man sich die einzelnen Sektoren an, ist Strom mit einem Anteil von 75 % Vorreiter, bei der Wärme liegt der Anteil bei 31 %, Schlusslicht bildet der Verkehr mit 10 %. „Die Energiewende kann nur gelingen, wenn wir das Energiesystem ganzheitlich betrachten und Lösungen sektorübergreifend denken und umsetzen“, so Angerer.
Zu den einzelnen Bereichen:
Erneuerbare Stromerzeugung sorgt für Krisenfestigkeit und Wettbewerbsfähigkeit
Bei der erneuerbaren Stromerzeugung hat vor allem die Photovoltaik in den vergangenen Jahren einen beispiellosen Boom erlebt: Lag der jährliche PV-Zubau im Jahr 2020 noch bei 341 MW, hat er in den Folgejahren massiv zugenommen und lag 2023 bei 2.095 MW. Die Zahlen aus den ersten beiden Monaten 2024 legen mit einem Zubau von 421 MW nahe, dass das steile Wachstum auch in diesem Jahr anhält. Damit beläuft sich die gesamte installierte PV-Leistung bei derzeit 6.305 MW.
Bei Windkraft hingegen geht der Ausbau zögerlicher voran: Der jährliche Zubau lag 2023 bei 312 MW und damit nur um rund 17 % über dem Jahr davor. Doch: „Der Ausbau erneuerbarer Stromerzeugung ist von wesentlicher Bedeutung für die Krisenfestigkeit unserer Energieversorgung und die Wettbewerbsfähigkeit der heimischen Industrie“, betont Günter Pauritsch, AEA-Energieexperte und Leiter des Centers Energiewirtschaft und Infrastruktur. Zusätzlich zum Ausbau bei der Erzeugung seien vor allem Speicher, Digitalisierung, Flexibilisierung sowie der Netzausbau wesentlich. „Das ElWG (Elektrizitätswirtschaftsgesetz, Anm.) soll dafür den notwendigen Rahmen liefern“, so Pauritsch.
Ausstieg aus Gas für Raumwärme geht voran
Der Wärmesektor hat mit 55 % den größten Anteil am Bruttoendenergieverbrauch. Je nach Bundesland unterscheiden sich die Heizsysteme deutlich: In Wien werden rund eine halbe Million Wohnungen mit Gas versorgt (Anteil 45 %), gefolgt von Niederösterreich (26 %). In Vorarlberg und Kärnten ist dagegen der Anteil an Ölheizungen mit 23 % bzw. 21 % noch recht hoch. Der Ausstieg aus Gas- und Ölheizungen geht jedoch deutlich voran: Im Jahr 2022 gab es 35.000 Gaszählpunkte weniger, und die Zahl der neu installierten Gasheizungen ist seit Jahren rückläufig (49.000 im Jahr 2021 versus 27.500 im Jahr 2023). Im Vergleich dazu steigt der Anteil an neuen Wärmepumpen (32.000 im Jahr 2021 versus 43.400 im Jahr 2023). „Die Nachfrage nach Beratungsleistungen zum Kesseltausch ist aktuell enorm groß, gepaart mit hohen Förderungen und dem Verbot des Einbaus von Gasheizungen in Neubauten wird die Anzahl mit Gas versorgter Haushalte weiter abnehmen“, so Angerer und weiter: „Die Sorge vieler Menschen ob der Abhängigkeit von Russland bei den Gaslieferungen führt zu einer verstärkten Abkehr von diesem Energieträger.“
Verkehrswende durch effizienten Energieeinsatz vorantreiben
Mit 32 % hat der Verkehr ebenfalls einen Löwenanteil am Bruttoendenergieverbrauch. „Dekarbonisierung und Energieeffizienz gehen im Verkehrsbereich Hand in Hand. Die Elektrifizierung des Straßenverkehrs kann beides und ist für die Energiewende wesentlich“, erklärt Pauritsch. Bei einem Elektroauto können 64 % (im ungünstigsten angenommenen Fall) bis 80 % der eingesetzten Energie genutzt werden, bei Brennstoffzellen hingegen nur 30 %. Noch weniger effizient sind nur E-Fuels mit 15 % direkter Energienutzung – sie sind aktuell am Markt allerdings auch so gut wie nicht verfügbar. Der Grad an Energieeffizienz macht sich auch am Preis bemerkbar, der bei E-Autos bei 3,6 bis 4,5 Cent/km liegt, bei Brennstoffzellen-Pkws zwischen 12,6 und 14,7 Cent/km und bei E-Fuels zwischen 59 und 69 Cent/km. Der Anteil an Elektroautos bei den Pkw-Neuzulassungen lag im Jahr 2023 bei 18 %, 2024 hat mit einer ähnlichen Quote (17 %) gestartet. Das spiegelt auch den globalen Trend wider – international gab es im ersten Quartal 2024 14 Millionen Neuzulassungen von Elektroautos und 65 Millionen von konventionellen Fahrzeugen.
Ausstieg aus russischem Gas schafft inländische Wertschöpfung und Selbstbestimmtheit
In der EU ist der Anteil an russischem Pipeline-Gas seit der zweiten Jahreshälfte 2021 stark gesunken und liegt mittlerweile nur mehr bei circa 10 %. In Österreich ist die Situation anders, weil es eines der wenigen Länder ist, das noch Pipeline-Gas aus Russland bezieht: Zwar gibt es in Summe sinkende Gasimporte, jedoch mit höheren Anteilen aus Russland (87 %, Februar 2024). Auch hat Österreich unter den verbliebenen vertraglich an Russland bzw. Gazprom gebundenen EU-Mitgliedstaaten jenen Vertrag mit der deutlich längsten Vertragsdauer und dem mitunter größten Lieferumfang. „Das Risiko eines Lieferausfalls ist aufgrund der fortwährenden Kriegshandlungen in der Ukraine jederzeit gegeben“, sagt Pauritsch. „Umso wichtiger ist es, dass Unternehmen rechtzeitig diversifizieren und sich absichern. Und das ist sowohl machbar als auch kalkulierbar.“ Die akute Bedrohung der Versorgungssicherheit ist dank der hohen Speicherstände überwunden und auch Energiepreissteigerungen sind aufgrund der geänderten Lage in Europa nicht mit der Situation vor zwei Jahren vergleichbar. Auch unter dem Aspekt der inländischen Wertschöpfung ist eine Abkehr von russischem Erdgas relevant: Denn während derzeit 90 % der Erneuerbaren im Inland erzeugt werden, sind es bei den fossilen Energieträgern nur 4 %. So importiert Österreich etwa Erdgas um 4,3 Milliarden Euro (2023). „Der Ausstieg aus russischem Gas bietet die Chance für mehr heimische Wertschöpfung und mehr Selbstbestimmtheit bei unserer Energieversorgung“, so Pauritsch.
Neue Marktgegebenheiten und steigender Erneuerbaren-Anteil verändern Preissystem
„Wir haben heute eine völlig andere Situation als 2021: Die Mengen an russischem Pipeline-Gas sind in Europa mittlerweile gering, der Markt ist derzeit sehr gut mit Flüssiggas (LNG) versorgt und die LNG-Kapazitäten werden in den nächsten ein bis zwei Jahren noch zunehmen“, erklärt Karina Knaus, Leiterin des Centers für Volkswirtschaft, Konsument:innen und Preise in der AEA. „Ein Blick auf die Preisentwicklung zeigt, dass sich die Gaspreise in Europa im Gleichklang bewegen und dass auch jene Länder, die ihre Gasversorgung bereits erfolgreich diversifiziert haben, kein anderes Preisniveau als Österreich haben.“ Auch auf der Nachfrageseite sei für den LNG-Markt derzeit wenig Preisdruck aus Asien zu erwarten. „Die Auswirkungen auf die Gaspreise, die ein Lieferrückgang von russischem Pipeline-Gas auf Österreich hätte, sind also in dieser Situation weit weniger dramatisch, als dies vor zwei Jahren der Fall gewesen wäre.“
Der hohe Anteil erneuerbarer Energie wirke sich wiederum positiv auf die Preise aus: „Der Strommarkt wird insgesamt volatiler und zu Spitzenzeiten, etwa im Frühjahr und Sommer, können Unternehmen am Großhandelsmarkt Strom zu sehr günstigen Preisen einkaufen.“ Für Endkunden und Endkundinnen wird sich der Gesamtpreis für Strom künftig anders zusammensetzen: Während die Energiekomponente abnimmt, werden Netz- und Systemkosten wichtiger. „Allerdings hängt es hier auch wesentlich davon ab, wie sich die Mengen entwickeln und verteilen“, so Knaus: „Die Elektrifizierung des Energiesystems bedeutet auch, dass es in Zukunft noch mehr Abnehmer geben wird, und das wiederum reduziert die Kosten pro KWh.“
Über die Österreichische Energieagentur – Austrian Energy Agency (AEA)
Die Österreichische Energieagentur liefert Antworten für die klimaneutrale Zukunft: Ziel ist es, unser Leben und Wirtschaften so auszurichten, dass kein Einfluss mehr auf unser Klima gegeben ist. Neue Technologien, Effizienz sowie die Nutzung von natürlichen Ressourcen wie Sonne, Wasser, Wind und Wald stehen im Mittelpunkt der Lösungen. Dadurch wird für uns und unsere Kinder das Leben in einer intakten Umwelt gesichert und die ökologische Vielfalt erhalten, ohne dabei von Kohle, Öl, Erdgas oder Atomkraft abhängig zu sein. Das ist die missionzero der Österreichischen Energieagentur.
Rund 100 Mitarbeiter:innen aus vielfältigen Fachrichtungen beraten auf wissenschaftlicher Basis Politik, Wirtschaft, Verwaltung sowie internationale Organisationen. Sie unterstützen diese beim Umbau des Energiesystems sowie bei der Umsetzung von Maßnahmen zur Bewältigung der Klimakrise. Die Österreichische Energieagentur setzt zudem im Auftrag des Bundes die Klimaschutzinitiative klimaaktiv um.
Der Bund, alle Bundesländer, bedeutende Unternehmen der Energiewirtschaft und der Transportbranche, Interessenverbände sowie wissenschaftliche Organisationen sind Mitglieder dieser Agentur.
Im Podcast Petajoule beantworten die Expert:innen der Österreichischen Energieagentur mit Gästen aus der Energiebranche die Fragen der Energiezukunft.
Rückfragehinweis:
Mag. Kristina Schubert-Zsilavecz
Österreichische Energieagentur – Austrian Energy Agency
Tel.: +43 (0) 1-586 15 24-134
E-Mail: pr@energyagency.at
Web: www.energyagency.at
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