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EnergyRoads

Dynamisches Laden im Straßengüterverkehr

Um das Verkehrssystem zu dekarbonisieren, sind klimaneutrale Antriebskonzepte für den Straßengüterverkehr unerlässlich. Dabei bieten verschiedene technologische Entwicklungspfade Lösungsansätze: Stationäres Laden batterieelektrischer Lkw vor der Fahrt, dynamisches Laden während der Fahrt oder die Verwendung von Elektrizität zur Herstellung von Treibstoffen wie E-Fuels oder Wasserstoff. Jeder dieser Ansätze birgt das Potenzial, den CO2-Fußabdruck des Straßengüterverkehrs signifikant zu reduzieren und somit einen wichtigen Beitrag zur Erreichung der Klimaziele zu leisten. Beim dynamischen Laden nimmt das Fahrzeug während der Fahrt elektrische Energie auf. Die Voraussetzung dafür ist eine entsprechende straßenseitige Infrastruktur und kompatible Fahrzeuge. Es wird zwischen drei Ansätzen unterschieden: (i) konduktive, kabelgebundene Systeme, bei denen Stromaufnahme beispielweise über eine Stromschiene erfolgt, (ii) induktive Systeme, bei denen im Boden integrierte Spulen ein hochfrequentes Magnetfeld erzeugen, das wiederum über eine Empfängerspule im Fahrzeug elektrische Energie erzeugt und (iii) ein oberleitungsgebundenes System.

Beim oberleitungsgebundenen Laden entnimmt ein Fahrzeug über einen Pantographen während der Fahrt Energie aus einer Oberleitung. Die über die Oberleitung bezogene Energie wird zur Fortbewegung des Fahrzeuges verwendet, zusätzlich kann die Transaktionsbatterie geladen werden. Diese Traktionsbatterie oder eine zweite Antriebsart ist notwendig, damit sich das Fahrzeug auf Strecken ohne Oberleitung bewegen kann. Demnach ist keine durchgehende Oberleitungsinfrastruktur notwendig. Aus statischen Gründen können Pantographen nur auf großen Fahrzeugen angebracht werden.

Das dynamische Laden sollte nicht als Konkurrenz oder Substitut, sondern als komplementäre Lösung zum stationären Laden verstanden werden. Das gilt auf Ebene des einzelnen Fahrzeugs, aber auch systemisch im Sinne von Zero-Emission-Korridoren. Auf Fahrzeugebene können batterieelektrische Fahrzeuge mit Pantograph auch stationär laden, für Strecken ohne Oberleitungsinfrastruktur wird auf die Traktionsbatterie oder eine zweite Antriebstechnologie zurückgegriffen werden – die Oberleitungstechnologie ist hier mit allen Antriebskonzepten kompatibel. Systemisch reduziert das dynamische Laden den Ausbaudruck für stationäre Ladeinfrastruktur und erhöht die Flexibilität des Verkehrssystems – ein nur auf stationärer Ladeinfrastruktur basierendes System erfordert entweder sehr hohe (Sicherheits-)Kapazitäten oder eine genaue raum-zeitliche Abstimmung von Elektrizitätsnachfrage und -angebot.

Das gilt auch für die anderen dynamischen Ladeoptionen. Allerdings weist die Oberleitung von allen dynamischen Ladeoptionen den höchsten Technologischen Reifegrad (TRL 6) für schwere Nutzfahrzeuge auf. Die (technische) Machbarkeit wurde in Teststrecken in verschiedenen Ländern nachgewiesen. Das System ist erprobt und prinzipiell marktreif. Die benötigten Europäischen Normen sind vorhanden oder zumindest in Vorbereitung.

In Österreich liegt der Fokus auf dem Erwerb grundlegender Erkenntnisse bezüglich der Implementierbarkeit sowie der zu erwartenden Auswirkungen. Ein zentraler Bestandteil dieser Herangehensweise ist die Studie „EnergyRoads“. In der Studie (2021-2022) wurden Einsatzbereiche sowie Vor- und Nachteile des dynamischen Ladens für den Güterverkehr auf österreichischen Autobahnen und Schnellstraßen bis 2040 mit einem Fokus auf Oberleitungen analysiert. Dazu wurden infrastrukturelle, energetische, fahrzeugbezogene, ökonomische und ökologische Aspekte thematisiert. Die Studie wurde von einem Konsortium unter Leitung der AEA durchgeführt.

Seit Abschluss dieser Studie engagiert sich die AEA in der IEA HEV Task 45 „Electrified Roads“, um den internationalen Austausch zum Themenbereich mit einem hochrangigen Gremium aus Wissenschaft, Verwaltung und Wirtschaft sicherzustellen. Im Rahmen dieser Task findet Ende Juni 2024 ein internationaler Workshop statt. Bei Interesse an einer Teilnahme senden Sie bitte eine Mail an christoph.link@energyagency.at.

Ergebnisse zur Implementierung einer Oberleitungsinfrastruktur in Österreich

In den Analysen von EnergyRoads wurde kein Faktor identifiziert, der die Errichtung und den Betrieb eines Oberleitungssystems in Österreich ausschließen würde. Im hochrangigen Straßennetz existieren keine flächendeckenden Barrieren für die Installierung der benötigten Infrastruktur. Eine Barrierewirkung entfalten beispielsweise Tunnel, hohe Lärmschutzwände oder in enger Abfolge vorhandene Oberkopfbauwerke. Sie verhindern die Errichtung der ERS-Infrastruktur nicht in jedem Fall, machen sie in manchen Abschnitten aber aufwändiger und teurer. Die Analyse des Straßennetzes anhand eines Bewertungsschemas ergab, dass auf der Hälfte des Autobahn- und Schnellstraßennetzes eine ERS-Infrastruktur ohne Einschränkungen errichtet werden kann. Besonders gut geeignet sind die für den Transitverkehr relevanten transeuropäischen Korridore (TEN-V-Netze). Im TEN-V-Kernnetz ist eine 80 prozentige Abdeckung machbar. Eine 50 prozentige Mindestabdeckung – definiert als Anteil des mit Oberleitungen versehenen Autobahn- und Schnellstraßennetzes – ist sowohl im TEN-V-Kernnetz als auch im TEN-V-Gesamtnetz machbar. Der längste nicht-elektrifizierte Abschnitt im TEN-V-Kernnetz kann demnach kürzer als 20 Kilometer sein.

Die Analyse aller Lkw-Fahrten in Österreich zeigte, dass vom letzten leicht elektrifizierbaren Streckenstück bis zum Ziel der einzelnen Fahrten in den allermeisten Fällen eine effektive batterie-elektrische Reichweite von 50 Kilometer ausreicht. Diese ist bei oberleitungsgebundenen Lkws prinzipiell gegeben, weswegen die österreichweite Erreichbarkeit, die Durchführung logistischer Prozesse und die Versorgung mit Gütern sichergestellt wären.

Oberleitungsgebundene batterieelektrische Lkw haben einen ähnlichen Energieverbrauch wie rein batterieelektrische Lkws und sind deutlich energieeffizienter als Lkws mit Brennstoffzelle und mit E-Fuels betriebene Lkws. Bei einem 50 prozentigen Einsatz entsprechender Lkws kann für 2040 von einem zusätzlichen Jahresstromverbrauch auf Oberleitungsstrecken in Österreich von 3 TWh/a ausgegangen werden. Die Lebenszyklus-Treibhausgasemissionen (Fahrzeuge ohne Infrastruktur) sind geringer als von ausschließlich stationär geladenen vergleichbaren Lkws.

Die ERS-Infrastruktur ist gut modular skalier- und erweiterbar. Ein verkehrlich sinnvolles und attraktives System erfordert eine erhebliche Anfangsinvestition. In Österreich wären für diese Anfangsinfrastruktur entlang des TEN-V-Kernnetzes 550 km (in beide Fahrtrichtungen) mit Oberleitungen zu versehen und Unterwerke mit einer gesamten Anschlussleistung von ca. 500 MW notwendig. Bezüglich der Investitionskosten für diesen anfänglichen Infrastrukturausbau inklusive Netzbereitstellung ist von ca. 880 – 1.400 Mio. EUR auszugehen. Dies entspricht ca. 1,6 – 2,6 Mio. EUR/km. Der Endausbau im TEN-V-Kernnetz (wenn 70 % des Verkehrs der TEN-V-Kernnetzes mit oberleitungsfähigen Lkws befahren werden) erfordert ca. 1.360 – 2.040 Mio. EUR an Investitionskosten bzw. 2,5 bis 3,7 Mio. EUR/km. Die Investitionen für die Anfangsinfrastruktur ist höher als bei alternativen Dekarbonisierungsoptionen, da diese eine höhere Modularität haben. Im Endausbau sind die Investitionskosten vergleichbar. Für die ERS-Infrastruktur sind allerdings die Abschreibungs- und Nutzungsdauern mit 20 Jahren deutlich höher als für stationäre Ladeinfrastruktur und Wasserstofftankstellen.

Im Vergleich der Gesamtkosten über Kauf und Nutzung eines Fahrzeugs (Total Cost of Ownership) schneiden batterieelektrische Fahrzeuge generell besser ab als ihre Alternativen. Ursächlich sind geringere Fahrzeug- und Energiekosten sowie längere Abschreibungszeiträume der Infrastruktur. Die mittleren TCO-Kosten liegen bei batterieelektrischen Lkws (stationär oder stationär/dynamisches Laden) bei ca. 400.000 EUR. Sie sind bei wasserstoffbasierenden Lkws etwa ein Viertel höher.

Aus verkehrlich-systemischer Sicht ist ein Oberleitungssystem nur als integriertes, internationales System sinnvoll, bei dem die Infrastruktur nicht an den Landesgrenzen endet und die grenzüberschreitende Nutzung sichergestellt und einfach ist. Im Vergleich zu einer Begrenzung auf das stationäre Laden ist das dynamische Laden insbesondere dann sinnvoll, wenn signifikante Verbesserungen in Bezug auf den spezifischen Energiegehalt von Traktionsbatterien oder die Batteriekosten ausbleiben, die Verfügbarkeit von Batterien eingeschränkt ist oder die Nutzung der Schnellladeinfrastruktur zu hohen gleichzeitigen Netzbelastungen und auf wenige Netzanschlusspunkte verteilte Belastungen führt. Insbesondere durch den Ausbau von Zero-Emission-Korridoren, die stationäres und dynamisches Laden kombinieren, kann der Ausbaudruck auf die stationäre Ladeinfrastruktur und die Gleichzeitigkeit der Netzbelastung reduziert werden.

Methodische Anmerkungen

Methodisch wurden in EnergyRoads drei Ansätze kombinierte. Ein modellbasierter Ansatz basierend auf einem neuentwickelten Verkehrsmodell ermöglichte quantitative Aussagen. Konsortiums-internes Expertenwissen in den Bereichen Infrastruktur, Ökologie und Ökonomie ermöglichte umfassende Antworten unter anderem zu technischen Herausforderungen und Betreibermodellen. Ein breiter Stakeholder-Partizipationsansatz bot eine Diskussionsbasis, ergänzte Fachwissen und deckte den Bereich der Nutzer:innen-Akzeptanz ab. Zusätzlich wurden Arbeitsgruppen zu den Themen Energie, Infrastruktur und Fahrzeuge/Logistik etabliert.

Die Analysen gliederten sich in vier Themenkomplexe:

  • Machbarkeit: Ist es in Österreich möglich ein Oberleitungssystem so umzusetzen, dass die flächendeckende Erreichbarkeit sichergestellt ist?
  • Sinnhaftigkeit: Hat ein Oberleitungssystem Vorteile gegenüber anderen Dekarbonisierungsstrategien beispielsweise hinsichtlich der Kompatibilität mit dem künftigen Energiesystem und ökonomische oder ökologische Wirkungen?
  • Akzeptanz: Wird ein Oberleitungssystem von relevanten Stakeholdern, insbesondere Logistikunternehmen, angenommen und genutzt werden?
  • Implementierung: Wie kann ein System so konzipiert und betrieben werden, dass Vorteile maximiert, Nachteile vermieden und der sichere, reibungslose Betrieb der Straßeninfrastruktur sichergestellt ist?

Präsentation der Ergebnisse

Am 21.09.2022 fand die Abschlussveranstaltung zum Projekt EnergyRoads am Standort der ASFiNAG in Wien statt. Dabei konnte das Projektteam die Ergebnisse vor nationalen wie auch internationalen Expert:innen vorstellen und diskutieren.

Die Präsentationen der zwei Stakeholder-Workshops stehen unten in der Rubrik „Downloads“ zur Verfügung. Bei Interesse an den Präsentationen der Abschlussveranstaltung melden Sie sich bitte bei  christoph.link@energyagency.at. Wir schicken Ihnen die Präsentationen gerne direkt via E-Mail zu.

Quelle: Siemens Mobility GmbH

Projektdaten

Auftraggeber Das Projekt wird aus Mitteln des Klima- und Energiefonds gefördert und im Rahmen des Programms „Zero Emission Mobility“ durchgeführt.
Projektleitung Christoph Link
Projektteam Michael Rohrer
Victoria Schopf
Projektpartner:innen IKK: Michael Schwarz, Bernhard Lackner
Trafility: Florian Koppelhuber, Eva Medicus, Elisabeth Scherounigg
BVe: Helmut-Klaus Schimany
Projektdauer März 2021 - Oktober 2022

Ansprechperson

Mitarbeiterfoto von Christoph Link, Senior Expert Mobility & Spatial Planning

Head of Center Mobility

DI Dipl.-Geogr. Christoph Link

E-Mail Adressechristoph.link@energyagency.at